Neu bauen oder revitalisieren?

Wer heute ein Gebäude plant oder baut, trifft Entscheidungen für Jahrzehnte. Ziviltchniker:innen beraten bereits in der Planung über Nachhaltigkeitsziele, gesetzliche Anforderungen und die Entscheidung: Neu bauen oder revitalisieren? Allgemeines Ziel ist, die Sanierungsquote deutlich zu erhöhen.

„Der Bausektor hat mit fast 2/3 des österreichischen Abfallaufkommens einen hohen Ressourcenverbrauch. Im Jahr 2021 wurden hierzulande über 770 Millionen Tonnen Abfall produziert – knapp 60 Prozent davon waren Aushubmaterialien, d.h. vorrangig Bauschutt aus Fels und Erdreich, der beim Bau von Infrastrukturprojekten oder Gebäudefundamenten anfällt.

Umso wichtiger ist es, vermehrt kreislauffähige Bauten zu errichten, die sich einfach warten, lang nutzen und am Ende der Lebensdauer für ein hochwertiges Recycling rückbauen lassen“, erklärt Frediani-Gasser.
Deshalb gewinnt „Bauen im Bestand“ immer mehr an Bedeutung: „Bestandsgebäude sind meist ressourceneffizienter und umweltfreundlicher als Neubauten und ihr ökologischer Fußabdruck ist deutlich kleiner. Daher müssen wir die Sanierungsquote deutlich erhöhen. Aktuell erreichen wir nur 1,5 Prozent. Das ist nur die Hälfte dessen, was sich Österreich als Ziel gesetzt hat“, so Frediani-Gasser. Mit einer Überarbeitung des Förderwesens könnten Anreize geschaffen werden, die Lebensdauer von Gebäuden zu verlängern. Vor allem ist eine professionelle Analyse durch Experten notwendig, die bewerten, ob ein Abriss oder eine weitere Nutzung sinnvoll ist.

Sanieren bedeutet, Ressourcen nachhaltig zu schonen

„Wenn man bedenkt, dass drei Viertel der Gebäude in Österreich vor 1990 errichtet wurden und energetisch betrachtet oft hinterherhinken, ist eine Sanierung oft der beste Ausweg“, so die Expertin. Die Modernisierung eines bestehenden Gebäudes kann kostengünstiger und vor allem ressourcenschonender sein als neu zu bauen. Jeder Neubau erfordert den Abbau neuer Rohstoffe und erzeugt viel graue Energie, welche für Herstellung, Transport, Lagerung und Entsorgung eines Gebäudes oder eines Bauprodukts benötigt wird.

Baumaßnahmen zur nachhaltigen Steigerung der Energieeffizienz

Deshalb führen Ziviltechniker:innen Energiebilanzanalysen durch: „Mit der thermischen Verbesserung der Gebäudehülle, dem Einsatz energieeffizienter Heizungs- und Kühlsysteme oder der Installation erneuerbarer Energietechnologien wie Photovoltaik kann die Energieeffizienz erheblich gesteigert werden.“ Bei der nachhaltigen Sanierung sollte auf Baumaterialien mit geringer grauer Energiebilanz gesetzt werden, etwa wiederzuverwendende oder recycelbare Baustoffe, umweltfreundliche Farben und Beschichtungen sowie regional gewonnene oder nachwachsende Materialien“, so Frediani-Gasser.

Strengere Gesetze und Nachhaltigkeitsstandards
Der Wille allein, „grün“ und nachhaltig bauen zu wollen, ist laut ZT-Kammer zu wenig. Deshalb werden in der Branche Initiativen wie der European Green Deal oder Regelungen wie das nationale Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz oder auch die gesetzlichen Vorgaben der EU-Taxonomieverordnung begrüßt: Die EU-Taxonomieverordnung definiert konkret die baulichen Nachhaltigkeitskriterien und gilt auch als verbindliche Vorgabe für Kreditgeber. Kapitalströme sollten hin zu nachhaltigen Investitionen ausgerichtet werden. Unternehmen werden nach einem abgestuften Zeitplan alle taxonomierelevanten Investitionen, auch beim Bauen, transparent darstellen müssen. Eine „ehrliche Gebäudebilanz“ trägt dazu bei, Immobilienwert langfristig zu erhalten und das Image von Bauherren und öffentlicher Hand zu verbessern.

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