Das Restaurant der Familie Krispel ist ihre Bühne. Aufgeführt wird ausschließlich das, wofür diese Familie steht. Das Genusstheater ist Abbild ihrer eigenen Haltung und Ausdruck ihrer Verbindung zur Region, weshalb es sich vom privaten Krispel auch gar nicht trennen lässt. Warum auch. Aus unternehmerischer Sicht, erzählt Stefan, sei ein Restaurant wie dieses vollkommener Irrsinn. Denn es ist alles andere als leicht verdientes Geld. Nicht wenige hätten ihn gewarnt, ihn für sein Vorhaben sogar belächelt. Ihm war’s egal. Da, wo andere zaudern, tut er einfach. Der Mensch ist eben ein neugieriges Wesen, das ständig lernt und in Bewegung bleibt. Geistige Beweglichkeit und dann und wann etwas Geduld. Das sei die perfekte Mischung, sagt er.
Daniel Weißer ist der Küchenchef des Theaters und hat als solcher das kulinarische Heft fest in der Hand. Ursprünglich kommt er aus Leipzig, dann ging er nach Lech am Arlberg. Jetzt hat er die Berge gegen die Hügel des Vulkanlandes getauscht. Und es keine Sekunde bereut. Denn Daniel hat freie Hand, kann sich und das Genusstheater entwickeln. Einzige Vorgabe: Das Wollschwein spielt die Hauptrolle. Kreativ und spielerisch, wie es sich für ein Theater gehört. Daneben bleibt natürlich noch genügend Platz für Getreide, Gemüse, Pilze, Süßwasserfische und alles, was die nähere Umgebung sonst noch hergibt. Ideen auf die Teller bringen, das ist es, was Daniel antreibt. Dabei agiert er alles andere als abgehoben, ist raffiniert und bleibt dennoch bodenständig.
Genuss-Spagat zwischen Tradition und Moderne
Eine Kombination, die dem Schwein und dem Wein am ehesten gerecht wird. Gerade denkt er über den optimalen Reifezeitpunkt von Wollschweinfleisch nach. Gleich neben der Küche stehen die Reifeschränke. Beim Reifen gilt: nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig. Es ist eine Gratwanderung, schließlich dürfe man den Gast auch nicht überfordern. „Das ist nicht unser Ansatz“, sagt Daniel, „wir wollen keinesfalls provozieren, vielmehr wollen wir unsere Gäste heranführen.“ An ein Thema, das in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr verschwunden ist. Fergus Herndon und sein „St. John“ in London, aber auch viele andere nach ihm haben die Türen geöffnet, nun muss man nur noch durchgehen und Schweinefleisch wieder zurück auf die Teller unserer Restaurants bringen. Schließlich gehört Schweinefleisch zu unserer kulinarischen Identität.
Im Genusstheater gelingt der Spagat zwischen Tradition und zeitgemäßer Interpretation einer regional geprägten Küche. Die Menüs wechseln, der Fokus bleibt. Die Gäste wissen, worauf sie sich freuen dürfen und sind dennoch überrascht, wie leicht Schweinefleisch schmecken kann. Die korrespondierenden Weine kommen von Sommeliére Michaela Steiner. Mit weiblichem Fingerspitzengefühl und großer Erfahrung begleitet sie die Gäste durch einen unvergesslichen Abend. Frei von jeder Dogmatik bleibt sie offen und sorgt damit für den einen oder anderen Überraschungsmoment.
Süße Krispel-Momente
Für die sorgt Lisa, Schwester von Stefan Krispel. Die zuletzt sogar vom Gault-Millau ausgezeichnete Pâtissière des Jahres 2023 zaubert filigrane Kunstwerke, die man entweder im Genusstheater genießen oder unter ihrer eigenen Marke „made by Lisa“ bestellen und mitnehmen kann. Ihr Handwerk hat sie unter anderem bei Konditorweltmeisterin Eveline Wild, im Hangar‑7 und im Berliner „Coda“ bei René Frank gelernt. Im Genusstheater geht sie nun ihren ganz eigenen Weg. Ihre Kreationen bestechen durch ungewohnte Kombinationen und dadurch, dass der Zucker nur sparsam eingesetzt wird. Ihre Törtchen und Desserts sind damit nicht nur zeitgemäß, sondern auch ohne Sünde.
Lisas Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Ihre Arbeit rundet das kulinarische Universum des Genusstheater ab. Im Team schafft man, was am Tisch zur perfekten Einheit wird: den Inbegriff eines guten Lebens. Eine gute Autostunde von Graz entfernt und ein bisschen mehr als zwei Stunden von Wien. Das Genusstheater der Krispel-Familie ist nicht nur ein Restaurant, es ist großes Theater. Was gespielt wird, entscheiden die Natur und das, was die Menschen in dieser vor Leben sprühenden Region hervorgebracht haben.
Fotocredit: Kurt Bauer