Jedermann

Seit seinem Einspringen im Jahr 2018 auf dem Domplatz im Rahmen der Salzburger Festspiele wartet die Welt darauf, dass er der neue Jedermann wird.

Text von Lisi Brandlmaier

Jetzt ist er es. Im Interview verrät Philipp Hochmair, was dieses Stück so einzigartig macht und wie sehr er sich über die Rolle als Jedermann freut. Übrigens: Den Schauspieler sieht man heuer nicht nur am Domplatz performen…

Warum sind die Salzburger Festspiele so relevant für die österreichische Kulturbranche?

Philipp Hochmair / Max Reinhardt wollte mit den Salzburger Festspielen eine Art Anti-Bayreuth, also anti-preußisch, erschaffen. Die Einnahmen sollten zur Linderung der Kriegsnot verwendet werden. Der Erzbischof hatte dem Domplatz als Bühnenbild für das katholische Moralstück zugestimmt, samt Dom-Orgel und Glockengeläut – ganz im Sinne von Max Reinhardt, der sich „die ganze Stadt als Bühne“ wünschte. Die Festspiele haben eine lange Tradition in der Aufführung hochwertiger Musik, Opern, Theaterstücke und Konzerte. Sie sind eng mit der österreichischen Kulturgeschichte verbunden und haben im Laufe der Jahre zahlreiche bedeutende Künstler angezogen. Sie genießen weltweit einen exzellenten Ruf.

Wie war die erste Begegnung mit Hugo von Hofmannsthals Jedermann?

PH / Meine erste Begegnung mit „Jedermann“ in Salzburg als junger Schauspielschüler war erst einmal enttäuschend. Der Ereignischarakter blieb mir fremd. Ich bin mit der Frage, was der Reiz an Jedermann sein sollte, alleine geblieben. Diese Irritation hat sicher später zu dem Wunsch geführt, aus dem großen und auch allzu moralischen Stück einen leichtfüßigen Monolog zu machen. 2013 kam es dann zur Gründung der Band „Die Elektrohand Gottes“. Wir wollten mit „Jedermann Reloaded“ ein besonderes Hörerlebnis schaffen, um näher an Jedermanns Denken und Fühlen heranzukommen.

Wäre es nicht auch mal an der Zeit, den Jedermann mit einem anderen Stück zu ersetzen, um sozusagen auch Platz für Neues zu schaffen?

PH / Im Moment würde ich das nicht machen. Das Stück ist aktueller denn je und es lebt von einer Tradition und einem Kultstatus. Es ist wie ein Fixpunkt. Seit über 100 Jahren. Das ist einzigartig auf der Welt.

Warum gerade dieses Stück?

PH / Es ist eigentlich durch einen Zufall entstanden. Zur Eröffnung plante Reinhardt ein anderes Werk, das aber nicht rechtzeitig fertig geworden war. Bis heute sind sich die Historiker nicht einig, um welches Stück es sich handelt. Reinhardt griff auf Hofmannsthals „Jedermann“ zurück, den er 1911 in Berlin aufgeführt hatte und der dort bei Presse und Publikum durchgefallen war. Dass dieses Stück durch die Festspiele zum Kultstück werden sollte, hat keiner erwartet. Es war mehr oder weniger eine Notlösung und hat sich dann durchgesetzt. Es gibt genügend Beispiele in der Geschichte, bei denen man das überhaupt nicht beabsichtigt und die sich zu einem totalen Hit entwickeln. In meinem Fall wäre das mein Monolog „Werther!“ nach Goethes Briefroman „Die Leiden des jungen Werther“. Das war ursprünglich als mobiles Schulstück in Klassenzimmern konzipiert. Dass ich das jetzt bald 30 Jahre spielen sollte, ist eigentlich ein kleines Wunder. Ähnlich auch „Jedermann reloaded“. Das ist aus einer Laune geboren, als Aufbegehren gegen die Tradition. Ich wollte das Stück für mich nochmals anders begreifen und mich mit dem Jedermann-Stoff in ein persönliches Verhältnis setzen.

2018 eingesprungen – was war Ihr persönlicher Höhepunkt?

PH / Ohne Proben vor einem riesengroßen Publikum in eine Aufführung zu springen, die man noch nie gesehen hat, ist eigentlich absurd und sehr riskant. Aber Dank meiner langjährigen Erfahrung mit JM reloaded habe ich die Herausforderung angenommen und das Abenteuer ist geglückt. Das war sicherlich für mein bisheriges Theaterleben der absolute Höhepunkt.

Wie groß war der Traum den JM zu spielen und wie ist das Gefühl jetzt, der Jedermann zu sein?

PH / Ich denke, es ist für jeden österreichischen Schauspieler ein Traum, eine Art Ritterschlag und ich freue mich wahnsinnig auf das, was kommt. Dass ich auch so ein tiefes Verhältnis mit dem Stück eingehen konnte, ist ein großes Geschenk. Ein Film ist eigentlich in maximal acht Wochen abgedreht, aber dieses wahnsinnige Stück Jedermann begleitet mich jetzt schon mehr als 10 Jahre mit all seinen Fasetten und Kanten, das ist eigenlich unglaublich! Das hätte
ich mir damals beim ersten Besuch am Domplatz wahrlich
nicht gedacht.

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