Stromspeicher sind ein wesentliches Element für die Energiewende. Da erneuerbaren Energiequellen (Sonne, Wind etc.) unregelmäßig produzieren, sind Zwischenspeicher nötig. „Wir müssen viel stärker als bisher darüber nachdenken, wie wir Energie nachhaltig gewinnen und wie wir effizienter mit ihr umgehen“, meint Roland Brunner, Forscher am Materials Center Leoben (MCL). Als Leiter der Forschungsgruppe „Material and Damage Analytics“ ist er überzeugt, dass man insbesondere bei den verwendeten Materialien einen Schritt weiterkommen muss.
Silizium macht Akkus leistungsfähiger
Das betrifft auch Lithium-Ionen-Batterien, bei denen es noch Verbesserungspotenzial gibt, etwa hinsichtlich Ladungsdichte, Dauerhaftigkeit, Zahl der Lade- und Entladezyklen oder Sicherheit. So gelten z. B. siliziumbasierte Anoden als eine der vielversprechendsten Ansätze, um höhere Energiedichten und Kapazitäten zu erreichen; überdies ist Silizium reichlich vorhanden und billig. Allerdings: Anoden mit hohem Siliziumgehalt dehnen sich beim Aufladen der Akkus stark aus. Dadurch kommt es zwischen den verschiedenen Materialien zu starken Spannungen und mit den Zyklen sinkt die Kapazität stark.
Beziehung zwischen Struktur und Funktionalität
Warum das so ist – und was man dagegen tun könnte –, war bisher unklar. „Wir müssen die Elektrochemie dieser Akkus besser verstehen und zusätzlich ein fundamentales Materialverständnis aufbauen“, erläutert Brunner. Seine Gruppe ist dabei nun einen großen Schritt weitergekommen. „Wir nutzen die Digitalisierung, um noch stärker in Richtung Nachhaltigkeit zu gehen“, so Brunner. Konkret haben die Forscherinnen und Forscher aus Leoben gemeinsam mit Kollegen der University of Warwick, von Carl Zeiss Microscopy und Varta Innovation die Veränderungen bei mehrmaligem Aufladen untersucht.
Die Materialien wurden mit hochpräzisen physikalischen Methoden (wie etwa Röntgenmikroskopie oder Feldemissionen-Elektronenmikroskopie) analysiert, die Daten wurden anschließend mit künstlicher Intelligenz ausgewertet und dreidimensional dargestellt – wobei es in erster Linie darum ging, die Mikrostruktur der Materialien mit funktionellen Eigenschaften zu verknüpfen. „Wenn wir diese Beziehung zwischen Struktur und Funktion besser verstehen, können wir künftige Batterien besser designen“, so Brunner. Nachsatz: „Künstliche Intelligenz beschleunigt die Entwicklung stark.“
Digitaler Zwilling einer Batterie
Brunners Arbeitsgruppe konnte damit die Ursachen für die Probleme von siliziumbasierten Anoden herausfinden und Gegenstrategien entwerfen. Das erstellte elektrochemische Modell ist aber erst der Anfang. Das Ziel ist es, im Computer einen „digital twin“ (digitalen Zwilling) der Batterie zu bauen, an dem viele Problemstellungen untersucht und optimiert werden können. Der Einsatz digitaler Methoden in der Materialforschung bereitet damit auch den Weg, um die Hochskalierung verbesserter Technologien auf ein industrielles Umfeld zu bewältigen – und dadurch einen wichtigen Beitrag zur Etablierung eines nachhaltigeren Energiesystems zu leisten.
Databox:
Das MCL ist spezialisiert auf Werkstoffe, ihre Herstell- und Verarbeitungsprozesse und innovative Anwendungen. Rund 170 hochspezialisierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten im Rahmen von kooperativen Forschungsprojekten mit Partnern aus der internationalen Wirtschaft und Wissenschaft. Das vom MCL betriebene Zentrum für „Integrated Computational Materials, Processes and Product-Engineering“ (IC-MPPE) ist Teil des österreichischen COMET-K2-Programms. Die vorliegenden Entwicklungen werden im Rahmen des Horizon-Europe-Projektes ECO2LIB, Nr.875514 sowie FFG-Projektes OpMoSi,
Nr. 891479 gefördert.