JUST / Wie haben sich die gesellschaftlichen Anforderungen an die Bildung unserer Kinder in den letzten Jahren gewandelt?
Beatrix Karl / In der Bildung spiegelt sich natürlich jede gesellschaftliche Entwicklung wider. Wenn man möchte, dass ein bestimmtes Thema wie zum Beispiel Klimaschutz in der Gesellschaft verankert wird, muss man in der Schule ansetzen. Was Schülerinnen und Schüler dort lernen, tragen sie in ihr familiäres und soziales Umfeld und damit in die Gesellschaft. Auf der anderen Seite kommt jede gesellschaftliche Entwicklung in der Schule an. Hier gibt es große Veränderungen, es besteht etwa mehr Konfliktpotenzial und eine gesteigerte Gewaltbereitschaft, die Pädagoginnen und Pädagogen sind mit viel mehr Diversität in Bezug auf kulturelle und religiöse Hintergründe der Kinder konfrontiert.
JUST / Worin bestehen derzeit die größten Herausforderungen in den elementarpädagogischen Einrichtungen und Schulen?
BK / Aufgrund der gestiegenen Heterogenität unter den Kindern werden die Pädagoginnen und Pädagogen mit ganz neuen Herausforderungen konfrontiert. Ein großes Thema ist natürlich die deutsche Sprache und die Tatsache, dass viele Kinder aufgrund von mangelnden Sprachkenntnissen dem Unterricht nicht folgen können. Hier muss man unbedingt ansetzen, damit kein Kind auf dem Bildungsweg zurückgelassen wird. Viele Kinder, vor allem Flüchtlingskinder, kommen auch traumatisiert in die Schulen, was eine weitere Herausforderung darstellt. Ein großes Thema, das in den letzten Jahren immer wichtiger geworden ist, ist auch der Bereich der Digitalisierung. Hier gilt es am Puls der Zeit zu bleiben.
JUST / Wie verändern die Digitalisierung und der Einsatz von KI den Schul- und Unterrichtsalltag?
BK / Die Kinder leben in einer Welt, wo KI- und IT-Kenntnisse selbstverständlich sind und müssen auch in der Schule darauf vorbereitet werden. Sie müssen den Umgang mit diesen neuen Tools trainieren, aber auch verstehen, dass die KI das Lernen und das Wissen nicht ersetzt. In der Ausbildung von Pädagoginnen und Pädagogen sind Digitalisierung und Medienpädagogik ein ganz zentraler Bereich. Allerdings ist in wenigen Jahren schon wieder veraltet, was man in der Lehramtsausbildung gelernt hat, weshalb für Pädagoginnen und Pädagogen auch die Fort- und Weiterbildung von großer Bedeutung ist.
JUST / Wie kann man mehr junge Menschen für MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) begeistern und so dem Fachkräftemangel in diesen Bereichen entgegenwirken?
BK / Die MINT-Fächer sind Zukunftsthemen und haben sehr viel Potenzial. Es ist vor allem wesentlich, mehr Mädchen für die MINT-Fächer zu begeistern. Der Schlüssel ist hier immer eine gute Lehrerin, ein guter Lehrer. Ziel muss sein, die Faszination dieser Fächer zu zeigen und neue spannende Welten zu eröffnen. Wenn das der Lehrerin oder dem Lehrer gelingt, dann springt auch der Funke für MINT-Fächer über.
JUST / Stichwort Bildungsforschung – was ist hier besonders relevant, um die Qualität des Bildungssystems weiter zu verbessern?
BK / An den Pädagogischen Hochschulen betreiben wir berufsfeldbezogene Forschung, sind hier auch sehr nahe an der Praxis und arbeiten sehr eng mit Schulen zusammen. Es ist wichtig, dass die Forschungsergebnisse, die an den Hochschulen erzielt werden, auch wirklich in den elementarpädagogischen Einrichtungen und Schulen ankommen. Dort sollen sie den Kindern und Jugendlichen zugutekommen, etwas bewirken und zur Verbesserung von Schule und Unterricht beitragen.