Umstel­lung der Industrie auf Kli­ma­schutz

Drei große Energieverbraucher gibt es in Österreich – neben Verkehr und Gebäuden ist das die Industrie. Ein Drittel der gesamten Energie wird von ihr benötigt.
Thomas Kienberger zum Thema Klimaschutz. Credit: Montanuni Leoben.

Die Inte­gra­ti­on der erneu­er­ba­ren Energie in die bestehen­den Ener­gie­sys­te­me wird nicht einfach. Davon ist Thomas Kien­ber­ger, Leiter des Lehr­stuhls für Ener­gie­ver­bund­tech­nik an der Mon­tan­uni­ver­si­tät Leoben, überzeugt. Vor allem die Spei­che­rung über­schüs­si­ger Wind- und Solar­ener­gie für Zeiten höheren Bedarfes ist eine große Her­aus­for­de­rung. Für das Erreichen der Kli­ma­schutz-Ziele müssen aber auch andere Maßnahmen getroffen werden – vor allem in der Industrie.

Drei große Ener­gie­ver­brau­cher gibt es in Öster­reich – neben Verkehr und Gebäuden ist das die Industrie. Ein Drittel der gesamten Energie wird von ihr benötigt. „In diesem Bereich kli­ma­neu­tral zu werden, das ist für den Kli­ma­schutz eine Mam­mut­auf­ga­be.“, weiß Thomas Kien­ber­ger. Man arbeite mit der Industrie zusammen, um ent­spre­chen­de Lösungen zu finden.

Zusam­men­ar­beit mit der Industrie

Grund­sätz­lich sieht Kien­ber­ger gleich mehrere Ansätze, wie das Ziel der Kli­ma­neu­tra­li­tät erreicht werden kann: „Da wäre zum einen die tech­ni­sche Umstel­lung auf erneu­er­ba­re Gase, vor allem Was­ser­stoff. Das ist gut erforscht, in der Praxis gibt es aber noch viel zu tun. Große Konzerne wie voest­al­pi­ne oder OMV haben bereits Demons­tra­ti­ons­an­la­gen, die der Forschung Feedback geben.“

Ein weiterer Weg ist laut Kien­ber­ger eine stärkere Trennung von Hoch­tem­pe­ra­tur- und Nied­rig­ener­gie­pro­zes­sen. „In der Regel muss der Pro­zess­dampf nur eine Tem­pe­ra­tur bis maximal 200 Grad Celsius haben. In diesen Fällen kann die Dampf­erzeu­gung von Erdgas auf Strom umge­stellt werden. Hoch­tem­pe­ra­tur-Wär­me­pum­pen sind hier die Zukunfts­tech­no­lo­gie, aber da müssen wir die Systeme noch etwas wei­ter­ent­wi­ckeln.“

Kli­ma­schutz pro­fi­tiert von Kreis­lauf­wirt­schaft

Der Wis­sen­schaft­ler tritt auch für eine ver­stärk­te Kreis­lauf­wirt­schaft ein. „Gerade die Pri­mär­pro­duk­ti­on von Mate­ria­li­en ist sehr ener­gie­in­ten­siv. Gewinnt man sie über Recy­cling­pro­zes­se, kann man viel einsparen. Natürlich muss die Qualität gewähr­leis­tet sein.“
Und schließ­lich spielt auch die Nutzung und Spei­che­rung von CO2 eine Rolle. „Die Zement­in­dus­trie zum Beispiel wird immer CO2 ausstoßen, egal, wie sie die Energie gewinnt. Das liegt in der che­mi­schen Natur des Pro­duk­ti­ons­pro­zes­ses. Dieses CO2 muss gespei­chert werden.“ In Öster­reich sei dieses Thema in den ver­gan­ge­nen zehn Jahren so gut wie überhaupt nicht beachtet worden.

Nicht ganz ohne Tücken ist die Sub­sti­tu­ti­on von Koks durch Was­ser­stoff bei der Eisen­er­zeu­gung. „Da stellt sich die Frage, woher der Was­ser­stoff kommt. Eine Alter­na­ti­ve wäre es, gleich was­ser­stoff­ba­sie­ren­den Eisen­schwamm zu impor­tie­ren, nur laufen wir dann Gefahr, eigene Res­sour­cen nicht mehr zu nutzen und Wert­schöp­fung zu verlieren.“

Viele Ideen zur Wär­me­spei­che­rung

Kien­ber­ger sieht in der Industrie auch ein großes Potenzial für die Wär­me­rück­ge­win­nung. „Es entsteht ja eine Menge Abwärme, die für Fern­wär­me­net­ze genutzt werden könnte. Wir bräuchten natürlich Wär­me­spei­cher, da die Abwärme auch im Sommer anfällt, aber erst im Winter benötigt wird.“ Lang­fris­tig könnten ther­mi­sche Sai­son­spei­cher im Unter­grund die Lösung sein, sagt Kien­ber­ger. Salz­spei­cher seien dafür eher nicht geeignet, sie würden sich für Kurz­zeit­mo­del­le eignen. „Eine Variante wäre die Spei­che­rung von Wärme in Aquiferen, also in tiefen Grund­was­ser­schich­ten.“ Insgesamt seien bei der Wär­me­spei­che­rung viele Ideen wieder in der Ver­sen­kung ver­schwun­den, weil sie nicht gut umsetzbar waren.

Her­aus­for­de­run­gen zeigen sich auch bei der Strom­ver­sor­gung. Hier, so der Lehr­stuhl­lei­ter, dürfe man Gas, Wärme und Elek­tri­zi­tät nicht länger als getrennte Bereiche sehen: „Wir müssen Konzepte für ein Zusam­men­spiel erar­bei­ten. Je nach Anfall und Wirt­schaft­lich­keit muss eine Ener­gie­form in die andere umge­wan­delt werden. Unsere Pump­spei­cher werden nämlich auf keinen Fall dafür aus­rei­chen, Über­schuss­ener­gie aus erneu­er­ba­ren Quellen zu speichern.“
Ein Thema sind für Kien­ber­ger die Elek­tro­au­tos. Hier ist seiner Ansicht nach ein viel zu hoher Leis­tungs­be­darf beim einfachen Laden zu Hause derzeit sys­tem­im­ma­nent. „Die Her­stel­ler sehen viel zu hohe Lade­strö­me vor. Elf Kilowatt sind völlig überzogen. Fünf Kilowatt reichen absolut aus, um ein E‑Auto über Nacht auf­zu­la­den. Das würde die Netze viel weniger stark belasten.“

Eine Erneu­er­ba­re Ener­gie­er­zeu­gung ist die Zukunft

Mit dem Ausbau der erneu­er­ba­ren Ener­gie­er­zeu­gung wird sich die Thematik Über­schüs­se ver­schär­fen, ist Kien­ber­ger überzeugt. „Wir brauchen eine geeignete tech­ni­sche Infra­struk­tur. Es geht um die phy­si­ka­li­sche Ver­füg­bar­keit von Strom. Dafür muss ich einer­seits Über­schüs­se unter­brin­gen, ande­rer­seits den Bedarf auch dann abdecken, wenn kein Wind weht und die Sonne nicht scheint.“ Die Infra­struk­tur müsse so aus­ge­rich­tet werden, dass das Zusam­men­spiel von Bedarf und Verbrauch flexibler werden könne. Während Rah­men­be­din­gun­gen zum Ausbau der erneu­er­ba­ren Energie und der zuge­hö­ri­gen Infra­struk­tur in erster Linie Aufgabe der Politik seien, sieht Kien­ber­ger die Wis­sen­schaft in anderen Bereichen gefordert: „Wir müssen die Pläne ent­wi­ckeln, wie der Ausbau gelingen kann. Gleich­zei­tig müssen wir überlegen, welche Tech­no­lo­gien es braucht, um den Ener­gie­ver­brauch für den Kli­ma­schutz zu senken.“

Konkrete Projekte in Richtung Kli­ma­schutz und ‑neu­tra­li­tät sind zum Beispiel das Programm NEFI. Dabei handelt es sich um ein Kon­sor­ti­um aus AIT Austrian Institute of Tech­no­lo­gy, Mon­tan­uni­ver­si­tät Leoben, OÖ Ener­gie­spar­ver­band und OÖ Wirt­schafts­agen­tur „Business Upper Austria“, das die umfang­rei­che Erfahrung dieser Akteure im Bereich der Ener­gie­for­schung formiert und bündelt. Gemeinsam mit an Bord sind 80 Unter­neh­men, 14 For­schungs- und 7 insti­tu­tio­nel­le Partner. Beteiligt sind Unter­neh­men aller Indus­trie­sek­to­ren wie zum Bei­spielaus der Lebensmittel‑, Maschinenbau‑, Kunststoff‑, Zement- und Stahl­in­dus­trie. Die Band­brei­te der in NEFI betei­lig­ten Firmen reicht von großen Leit­be­trie­ben bis zu inno­va­ti­ven KMUs.

Thomas Kien­ber­ger und das Thema Kli­ma­schutz

Thomas Kien­ber­ger ist seit 2014 Professor und Leiter des Lehr­stuhls für Ener­gie­ver­bund­tech­nik an der Mon­tan­uni­ver­si­tät Leoben. Der Experte für inte­grier­te Ener­gie­sys­te­me der öffent­li­chen Ener­gie­ver­sor­gung und der Industrie befasst sich mit inter­dis­zi­pli­nä­ren, sys­te­mi­schen Ansätzen zur Inte­gra­ti­on erneu­er­ba­rer Energien und zur Erhöhung der gesamt­sys­te­mi­schen Ener­gie­ef­fi­zi­enz. Seit 2018 ist Kien­ber­ger Mitglied der Steue­rungs­grup­pe der Vor­zei­ge­re­gi­on New Energy For Industry — NEFI und Leiter des NEFI_lab. Kien­ber­ger absol­vier­te das Studium Elektro-Ener­gie­tech­nik an der TU Graz und arbeitete unter anderem als Ent­wick­lungs­in­ge­nieur bei der Siemens AG in Erlangen/Deutschland. Neben seinen Akti­vi­tä­ten in der Wirt­schaft konnte er zahl­rei­che For­schungs­pro­jek­te initi­ie­ren.

Mehr Infor­ma­tio­nen:
www.unileoben.ac.at

Foto: Thomas Kien­ber­ger

Credit: Montanuni Leoben

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