JUST / Frau Michalke, was ist der Kern Ihres Forschungsprojektes?
Jessica Michalke / Das Projekt beschäftigt sich mit der Nutzbarmachung von Vanadium in Fliegenpilzen. Im Rahmen des Forschungsprozesses wird eine Pyrolyse – die Verbrennung ohne Sauerstoff – der Fliegenpilze durchgeführt, um einen vanadiumbasierten Katalysator herzustellen. Ziel ist es, neue und innovative Methoden der Katalyse für organische Synthesen zu etablieren, die nicht auf Edelmetallen basieren oder innerhalb der Herstellung deren Verwendung involvieren. Der neue Katalysator kann zur Gewinnung von Essigsäure verwendet werden, einer Basischemikalie, von der jährlich über sieben Millionen Tonnen hergestellt werden und die unter anderem in der Lebensmittelindustrie, in Pharmazeutika, Farbstoffen und Kosmetik gebraucht wird.
JUST / Worin besteht die Problematik bei Katalysatoren auf Edelmetallbasis?
JM / Bisherige Ansätze greifen auf die Verwendung von Platingruppenmetallen (PGMs) wie Iridium oder Rhodium zurück. PGMs sind seltene und sehr teure Metalle, deren Gewinnung und Verarbeitung mit großem Ressourcenverbrauch und erheblichen Umweltbelastungen einhergehen. Ein weiterer Aspekt ist die Ausbeutung der Menschen, insbesondere in ärmeren Ländern. Das allgemeine Bestreben, PGMs möglichst billig zu erhalten, geht oft auf Kosten derjenigen Länder, die schwächere Umwelt- und Arbeitsschutzgesetze haben. Dies führt zu vermehrter Umweltzerstörung, Landraub, Zwangsvertreibungen oder Arbeitsbedingungen, die weit unter internationalen Standards liegen.
JUST / Offensichtlich ist es in der heutigen Zeit dennoch nicht realisierbar, völlig auf PGMs zu verzichten?
JM / Da PGMs zu sehr in der Gesellschaft verankert sind und unsere Technologien darauf aufbauen, ist ein völliger Verzicht nicht möglich. Was allerdings sehr wohl möglich ist, ist, Ansätze zu finden, die bereits in der Katalysatorherstellung völlig edelmetallfrei sind und auf nachwachsenden Ressourcen beruhen.
JUST / Einen ebensolchen Ansatz stellt der vanadiumbasierte Katalysator dar. Auf welchen Prinzipien beruht er?
JM / Fliegenpilze nehmen eine signifikante Menge an Vanadium auf. Wir wissen bereits seit Jahrzehnten um diese Ansammlung von Vanadium in Fliegenpilzen, konnten diese allerdings bisher nicht effizient nutzen, da das organische Umfeld uns daran hindert und keine Anwendung dafür angedacht wurde. Besagtes Umfeld lässt sich leicht umgehen, wenn die getrockneten Pilze anschließend pyrolisiert werden. Dadurch wird sämtlicher organischer Hintergrund nicht einfach nur verbrannt, sondern hat ganz im Gegenteil eine wichtige Bedeutung. Das enthaltene Vanadium wird dabei in die entstehende Kohlenstoffmatrix imprägniert und bildet einzigartige Oberflächenstrukturen aus.
JUST / Welche Vorteile bietet Ihr Katalysator?
JM / Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung. Pilze verfügen über ein umfangreiches Wurzelsystem. Wenn also nur der Fruchtkörper verwendet wird, dann ist es in etwa so, als ob man einen Apfel vom Baum pflückt – der Baum trägt keinen Schaden davon und die Frucht wächst ohne Probleme nach. Auch durch die Entsorgung der Katalysatoren nach dem Ende ihrer Funktionsfähigkeit soll das lokale Ökosystem nicht geschädigt werden.