Vom Labor direkt zum Menschen

Forschung und Wissenschaft haben nie in einem Elfenbeinturm gewohnt. Der Ansatz der translationalen Forschung räumt mit dieser Vorstellung endgültig auf, veranschaulicht der Forscher Johannes Fessler am Beispiel Spermidin.

Sie beschäf­ti­gen sich mit dem Einfluss von Alterung, Ernährung und Meta­bo­lis­mus auf das Immun­sys­tem. Wie gut lassen sich zelluläre Alte­rungs­mo­del­le aus dem Labor, z. B. von Mäusen, auf den Menschen über­tra­gen?

Johannes Fessler / Ganz generell ist der Vergleich natürlich nicht ganz einfach. Einer­seits werden Versuche mit Mäusen immer zu stan­dar­di­sier­ten Bedin­gun­gen durch­ge­führt und die Tiere werden nicht dem „richtigen Leben“ und dessen Umwelt­ein­flüs­sen aus­ge­setzt. Ande­rer­seits sind manche Aspekte des Alterns von Mäusen und Menschen von einem bio­lo­gi­schen Stand­punkt aus ein wenig unter­schied­lich. Trotzdem ist es wichtig, neue Erkennt­nis­se aus Maus­ver­su­chen zu gewinnen, um gewisse Mecha­nis­men des Alterns besser verstehen zu können.

Stimmt der Eindruck, dass trans­la­tio­na­le Forschung an Bedeutung gewinnt? Diese Forschung hat ihren Fokus auf der „Über­set­zung“ von Erkennt­nis­sen aus der Grund­la­gen- und der prä­kli­ni­schen Forschung in klinische Studien am Menschen.

JF / Absolut! Es muss immer das Hauptziel sein, aus der Grund­la­gen­for­schung relevante Infor­ma­tio­nen zu bekommen, die auch in unserem all­täg­li­chen Leben von Bedeutung sind.

Könnte man die Sper­mid­in­for­schung und das Über­füh­ren der Erkennt­nis­se in ein Produkt, das am Markt erhält­lich ist, als Beispiel nennen?

JF / Spermidin ist ein her­vor­ra­gen­des Beispiel dafür. Es gibt zahl­rei­che Grund­la­gen­ar­bei­ten, die zeigen, welches mögliche Potenzial in der Einnahme von Spermidin liegen könnte, z.B. eine hirn- oder herz­ver­bes­sern­de Wirkung im Alter. Erste Studien am Menschen werden zur Zeit durch­ge­führt. Um ein end­gül­ti­ges Resümee zu ziehen, ist es aber noch zu früh.

Wenn Studien ergeben, dass die Sper­mi­din­zu­fuhr das Leben von Mäusen um rund 25 Prozent ver­län­gert: Ist das schon als Hinweis zu werten, dass es beim Menschen ähnliche Effekte geben könnte?

JF / Der beob­ach­te­te Effekt in Mäusen war natürlich sehr stark und deutet die poten­zi­el­le Wich­tig­keit von Spermidin an. Aber das mensch­li­che Altern ist abhängig von sehr vielen Faktoren. Wie maß­geb­lich dabei Spermidin tat­säch­lich ist, lässt sich noch nicht voll­kom­men abschät­zen, auch wenn erste Hinweise diese Annahme bestä­ti­gen.

Was ist nötig, um den Transfer vom Labor zum Menschen gut zu meistern?

JF / Zum einen braucht es natürlich Zeit, Geduld und mehrere wirklich gut geplante Studien. Um den Sprung bench-bedside-popu­la­ti­on erfolg­reich zu meistern, braucht es oft viele Jahre (vor allem, wenn man einen Effekt auf den Alte­rungs­pro­zess erkennen will). Zum anderen sind auch das Vertrauen in die Wis­sen­schaft und die ent­spre­chen­de Unter­stüt­zung essen­zi­ell. Die wis­sen­schaft­li­che Arbeit, die zeigt, dass Spermidin einen lebens­ver­län­gern­den Effekt bei Mäusen hat, ist zum Beispiel bereits 2009 erschie­nen. In den letzten Jahren wurden erste „trans­la­tio­na­le“ Studien am Menschen her­aus­ge­bracht und viele weitere werden zur Zeit weltweit bear­bei­tet. Während des ganzen Prozesses verstehen wir die Substanz Spermidin und alle ihre bio­lo­gi­schen Wirkungen natürlich immer besser und können Studien anpassen bzw. neue Studien dazu planen.

INFOR­MA­TI­ON: Der Artikel wurde in Koope­ra­ti­on mit Spermidin redak­tio­nell unab­hän­gig erstellt.

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